Schrieb Mose die Mosebücher?

Ich habe ein paar Fragen zum Alten Testament, die Sie mir vielleicht beantworten können.?
1. Ist es in seinen Auswirkungen für den persönlichen Glauben sehr wichtig, ob die 5 Bücher Mose wirklich von Mose geschrieben sind, oder von irgendwelchen Priestern, wie die moderne Theologie behauptet? So manch ein Argument der Theologen scheint einleuchtend zu sein.
2. Schrieb Jesaja "Jesaja?"

Ich erlaube mir, Fragen 1 und 2 zusammenzunehmen, weil sich letztere aus ersterer erklärt. Es ist für den persönlichen Glauben von größtem Gewicht, ob ich die Mosebücher für mosaisch oder pseudomosaisch halte. Warum? Der Herr selbst hat die Mosebücher immer als von Mose geschrieben zitiert (Matth. 8,4; 19,8; Mark. 7,10; Luk. 20,37; Joh. 3,14; 5,46; 6,32; 7,19+22). Wäre nun Mose nicht der Autor, ergäbe sich, dass der Herr entweder nicht wußte, dass eigentlich andere die Mosebücher geschrieben hatten, oder dass er sich im Sprachgebrauch der im Judentum gängigen Auffassung anpaßte. Im ersten Fall wäre er nicht allwissend gewesen, also doch nur ein Mensch und nicht Gott; im zweiten Fall hätte er letztlich gelogen, wäre also ein Sünder gewesen und nicht der Gerechte, die "Wahrheit" (Joh. 14,6). Wäre er bloß Mensch und nicht gleichzeitig Gott, hätte er nicht Sünden vergeben können (vgl. Luk. 5,21), und wäre er selbst ein Sünder gewesen, hätte er auch die Grundlage der Vergebung, nämlich die Sühnung der Sünden, nicht legen können: Er wäre dann als Mensch ganz einfach in seinen eigenen Sünden gestorben. Somit ist der Angriff auf die Verfasserschaft des Mose ein indirekter - wenn auch meist bestrittener - Angriff auf die Person unseres Herrn selbst.

Es ergibt sich als fatale Folge für das Glaubensleben auch die Konsequenz, dass die Bibel nicht vollkommen ist, sondern als eine Mischung von Gotteswort und Menschenwort - man sagt dann: "Die Bibel enthält Gottes Wort" - letztlich dem Urteil des Menschen untersteht. Wie will aber dann Glaube geweckt und Glaube genährt werden? Ich muss mir ja dann selbst dauernd einreden, diese oder jene Bibelstelle sei von Gott (hoffentlich, sicher kann man ja nie sein), und damit wird der Glaube eben zu dem, was die Religionskritik längst festgestellt hat: zu einer Projektion von Wunschvorstellungen. Biblischer Glaube ist aber alles andere als eine vom Menschen ausgehende Sache: Gott hat sich in Zeit und Raum geoffenbart; Gott hat in der Geschichte gesprochen. Davon hat er in der Bibel ein geschriebenes, bleibendes Zeugnis niedergelegt. Glaube heißt nun, Gottes Tun und Gottes Reden anzunehmen, das eigene Trachten und Denken diesem Reden zu unterstellen, sich von diesem Reden durchrichten und korrigieren zu lassen. Tun wir das, erleben wir, wie Gottes Wort tatsächlich die Kraft ist, die alles trägt (Hebr. 1,3).

Wer schrieb das Jesaja Buch?

Zur Frage nach der Verfasserschaft des Buches Jesaja müssen wir letztlich gleich antworten wie oben: Der Herr oder die Evangelisten sprechen, wenn sie Jesaja anführen, nie von einem zweiten Jesaja, sondern immer nur vom Propheten Jesaja (Matth. 3,3; 4,14; 8,17; 12,17; 13,14; 15,7; Joh. 1,23; 12,38-41; Apg. 8,28). So auch Panlus (Röm. 9,27+29; 10,16+20; 15,12). Hier stellt sich die Frage, warum man denn gegen das Zeugnis a) der Schrift, b) der jüdischen und c) der christlichen Tradition überhaupt auf den Gedanken kam, von einem zweiten Jesaja (dem sog. "Deuterojesaja") zu sprechen.

Jesaja (der im 8. vorchristlich genannten Jahrhundert lebte) spricht von Kapitel 40 seines Buches an u.a. von Dingen, die sich im babylonischen Exil und in der nachfolgenden Befreiung durch den Perserkönig Kores (oder Kyros) (also im 6. vorchristlichen Jahrhundert) erfüllten, was echte Prophetie wäre, was aber nach liberaler Auffassung nicht sein darf. Folglich hat ein Zeitgenosse des Kyros diese Scheinprophetien geschrieben, die aber später zu den Schriften des Jesaja (Kap. 1-40) gezählt und als echte Prophetie verkauft wurden. Stimmt das, ist zumindest das Buch Jesaja frommer Betrug und damit eine verabscheuungswürdige Mache, die es nicht verdiente, ernst genommen zu werden. Wenn ich von der Bibel die Überzeugung erlangte, dass sie nur vorgibt, göttlichen Ursprungs zu sein, es aber nicht ist, dann würde ich es für das anmaßendste und daher unerträglichste Buch der gesamten Weltliteratur ansehen und keines Gedankens mehr würdigen. Oder aber sie ist, wie auch das Buch Jesaja vorgibt, das von Menschen auf Gottes Geheiß niedergeschriebene Gotteswort, und dann verdient kein Buch der Weltliteratur wie die Bibel gelesen, bewahrt, geliebt und gelehrt zu werden. Das sind die beiden einzigen konsequenten Standpunkte, die sich gegenüber der Frage nach der Echtheit der Mosebücher, des Buches Jesaja und überhaupt jeden biblischen Buches ergeben. Eine "gemäßigt liberale" oder "gemäßigt konservative" Haltung ist in diesem Zusammenhang ein Widerspruch in sich selbst.

Soweit eine prinzipielle Beurteilung. Nun aber sprechen auch rein sprachliche und literarische Kriterien ganz gegen eine mehrfache Verfasserschaft gerade der Mosebücher. Wer sich die Mühe nimmt und die Mosebücher gründlich liest und nochmal liest und ein drittes und viertes Mal liest, wird je länger je mehr von der einzigartigen Harmonie, die von 1. Mose 1 bis 5. Mose 34 geht, überzeugt werden. Diese Harmonie ist allerdings nicht simpel, als ob wir lediglich Aufreihungen von Fakten im Stile von Annalen vor uns hätten, sondern äußerst kunstvoll und daher komplex. Das Problem besteht darin, dass gerade angehende Theologen meist nicht gelehrt werden, von überlieferten Texten auszugehen, um sich zunächst mit dem vertraut zu machen, was dasteht, sondern von Anfang an auf Sekundärliteratur losgelassen werden, und so mit dem Kopf voller Hypothesen die Texte - und auch dann gewöhnlich nur Fragmente - betrachten und natürlich das wiederfinden, was ihnen das theologische Handbuch vorhergesagt hatte.

Ich erwähne das, weil ich bei Altphilologen in die Schule gegangen bin und dort gelehrt wurde, zuerst Texte zu lesen, als ganze zu verstehen zu suchen, um sie dann, wenn sie keinen Sinn ergaben, zu emendieren. Das sind die Regeln, an die sich neben Gräzisten auch Ägyptologen und Altorientalisten halten. Eigentlich sollten sie auch für den Umgang mit dem Alten Testament selbstverständlich sein. Leider ist aber bei vielen Theologen das Gegenteil der Fall. Das Handbuch mit den Entstehungshypothesen der biblischen Bücher bestimmt, wie der biblische Text "eigentlich" auszusehen hat; es hat sich also der Bibeltext nach dem Handbuch und nicht das Handbuch nach dem Bibeltext zu richten. Da möchte ich Ihnen einfach Mut machen, selbständig zu lesen, zu denken und zu glauben und sich nicht von fragwürdigen Hypothesen, seien sie durch das Alter noch so gewürdigt, beirren zu lassen.


Beantwortet von: Benedikt Peters
Quelle: Aus dem Buch 3 x 100 Fragen zur Bibel (Schwengeler Verlag, 2003)